Wenn die Stille kommt: Ein Weckruf für unsere Beziehungen
- Dennis Vorberg
- 6. Juni
- 2 Min. Lesezeit
Kennst du das Gefühl, wenn etwas so selbstverständlich wird, dass du es kaum noch wahrnimmst? Eine vertraute Geste, ein tägliches Ritual, ein Mensch, der immer da ist. Du nimmst es hin, als wäre es normal, ja fast schon ein Naturgesetz. Und dann, plötzlich ist es still.
Dieser Gedanke, dass etwas Wertvolles, das dir scheinbar immer zur Verfügung steht, eines Tages einfach verschwinden könnte, ist doch erschreckend, oder? In unserer schnelllebigen Welt, in der alles immer verfügbar zu sein scheint – sei es per Knopfdruck oder durch eine einfache Nachricht – vergessen wir leicht, dass Beziehungen keine Einbahnstraßen sind. Sie brauchen Pflege, Aufmerksamkeit und vor allem: Wertschätzung.
Oft sind es die Menschen, die leise im Hintergrund agieren, die am meisten geben. Sie fragen nach, hören zu, erinnern sich an Kleinigkeiten, sind einfach da. Vielleicht empfindest du ihre ständige Präsenz manchmal als "einen Schritt zu nah", wie der Songtext andeutet. Du liest ihre Nachrichten, seufzt vielleicht und denkst: "Später." Schiebst es auf die lange Bank, weil sie ja da ist, Gott sei Dank?
Doch genau in diesem "Gott sei Dank?" verbirgt sich die Gefahr. Die stillschweigende Annahme, dass diese Geduld, diese Wärme, diese Präsenz für immer währt. Weil sie nie ging, weil sie immer blieb, hast du den Wert darin nie wirklich gesehen. Es ist eine menschliche Schwäche, das Selbstverständliche als selbstverständlich zu betrachten und nicht als kostbares Geschenk.
Ich denke da an die vielen Alltagsmomente, in denen wir uns in unseren eigenen Gedanken verlieren, am Handy kleben oder schlichtweg zu beschäftigt sind, um wirklich hinzuhören. Eine kurze Frage, ein aufrichtiges Interesse, ein wahrhaftiges "Wie geht es dir?" – wie oft lassen wir diese Gelegenheiten ungenutzt verstreichen? Wie oft überhören wir die leisen Hilferufe, die unscheinbaren Zeichen der Zuneigung, weil wir "müde vom Überhören" sind?
Und dann kommt dieser Moment, der uns wie ein Schlag trifft: Die plötzliche Stille. Keine Nachricht mehr, kein leises "Hallo?", keine Frage, die dich wecken will. Das Handy bleibt dunkel, die Leitung leer. Und diese Leere, sie wiegt unendlich schwer. Es ist die Abwesenheit, die uns erst den wahren Wert des Verlorenen offenbart. Ein tiefer Riss, der dich bis ins Mark erschüttert.
Es ist eine bittere Lektion, die wir manchmal zu spät lernen: Manchmal kommt die Einsicht erst, wenn niemand mehr da steht. Wenn die Wärme gegangen ist, weil sie nicht gespürt wurde. Wenn die Worte verstummt sind, weil niemand sie verstehen wollte. Sie waren nicht müde, um zu stören, nur müde vom Überhören.
Doch diese Erkenntnis muss kein Ende sein. Sie kann ein Neubeginn sein. Ein Weckruf, hinzuhören, bevor es still wird. Bevor die Stille alles verschluckt. Es ist nie zu spät, den Menschen in deinem Leben, die immer für dich da sind, die Anerkennung und Liebe zu schenken, die sie verdienen. Eine einfache Geste, ein aufrichtiges Danke, ein bewusstes Zuhören kann Welten bewegen.
Nimm dir einen Moment Zeit. Schau dich um. Wer ist immer für dich da? Wer schenkt dir seine Geduld, seine Zeit, seine Zuneigung, oft unaufgefordert und ohne Erwartung? Sag es ihm oder ihr. Zeig es. Bevor es still wird. Für immer still.
Was denkst du? Hast du auch schon die Erfahrung gemacht, dass die Abwesenheit den Wert einer Person erst wirklich bewusst macht?
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