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AutorenbildDennis Vorberg

Gedanken über den Krieg, der plötzlich so nah ist

Ich bin ein Kind der 80er Jahre. Aufgewachsen in einer Zeit, in der der Kalte Krieg zwar allgegenwärtig war, aber doch irgendwie weit weg erschien. Wir haben darüber in der Schule gesprochen, in Geschichtsbüchern gelesen und Filme gesehen, die uns Szenarien eines Weltuntergangs präsentierten. Aber das waren Geschichten – Theorien, die sich wie ein Schatten über unsere Köpfe legten, ohne wirklich greifbar zu sein.


Ich hätte nie gedacht, dass ich mir eines Tages Gedanken über Krieg machen müsste, der so nah ist, dass er uns beinahe atemlos macht. Natürlich war Krieg nie wirklich weg. Er war da, irgendwo – in Ländern, deren Namen viele nicht einmal korrekt aussprechen können. Immer weit genug entfernt, um ihn in den Nachrichten zu sehen und dann weiterzumachen, als wäre nichts gewesen.


Doch jetzt? Jetzt ist er da. Direkt vor unserer Haustür. Plötzlich werden die Dinge real. Die Sirenen, die früher nur als Probe durch die Stadt hallten, klingen bedrohlicher. Die Gespräche über Gaspreise, Inflation und politische Krisen sind nicht mehr bloße Debatten am Stammtisch – sie sind Teil unseres Alltags, unserer Ängste, unserer Realität.


Und ja, ich gebe es zu: Ich habe Angst. Eine Angst, die man kaum ausspricht, weil sie uns klein und verletzlich macht. Aber ist es nicht genau das, was wir alle fühlen? Wir schauen in die Nachrichten, sehen Bilder von zerstörten Städten, von Menschen, die alles verloren haben, und fragen uns insgeheim: "Wie lange dauert es, bis wir an der Reihe sind?" Es ist eine grausame, kalte Realität, die man gerne von sich schieben würde – aber sie ist da.

Was mich am meisten schockiert, ist diese Hilflosigkeit. Die Einsicht, dass wir als Einzelne so wenig tun können. Demonstrieren? Spenden? Hoffen? Aber wird es reichen? Ich frage mich oft, wie wir als Gesellschaft an diesen Punkt gekommen sind. Wie konnten wir zulassen, dass Hass, Machtgier und Ignoranz so viel zerstören?


Krieg ist nicht schön. Krieg ist grausam. Wir lösen damit keine Probleme – ganz im Gegenteil. Krieg zerstört. Er reißt Wunden, die nie wirklich heilen. Und warum? Weil jemand seine Macht und sein Ego nicht im Griff hat. Weil jemand glaubt, sein Wille wäre wichtiger als das Leben unzähliger Menschen. Und währenddessen müssen unschuldige Menschen leiden. Müssen sterben. Mütter verlieren ihre Kinder, Kinder ihre Eltern. Ganze Generationen werden geprägt von Schmerz, von Verlust, von Angst. Krieg ist nichts anderes als das absolute Versagen der Menschlichkeit.


Manchmal frage ich mich, ob wir verlernt haben, wirklich miteinander zu sprechen. Ob die Träume, die wir in den 80ern von einer besseren Welt hatten, naiv waren. Doch dann erinnere ich mich daran, dass wir auch damals gekämpft haben. Gegen Atomwaffen. Für den Frieden. Für eine Welt, in der unsere Kinder nicht lernen müssen, was Krieg wirklich bedeutet.


Vielleicht ist das die Hoffnung, die bleibt. Dass wir noch immer kämpfen können. Mit Worten, mit Taten, mit Mitgefühl. Dass wir eine Stimme haben, auch wenn sie manchmal leise erscheint. Vielleicht ist es die Hoffnung, dass wir aus der Geschichte lernen können. Auch wenn wir oft scheitern.


Es ist okay, Angst zu haben. Es ist okay, wütend zu sein. Es ist sogar okay, zu weinen. Aber es darf nicht okay sein, still zu bleiben. Der Krieg mag nah sein – aber wir dürfen nicht zulassen, dass er uns taub macht für das, was wirklich zählt: Menschlichkeit.


Ich weiß nicht, ob dieser Beitrag etwas verändert. Wahrscheinlich nicht. Aber vielleicht liest jemand diese Zeilen und denkt: "Ja, genau das fühle ich auch." Und vielleicht ist das schon der erste Schritt.



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